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Es gibt Tage, da schlägt man morgens die Zeitung auf und denkt, „Zwickt mich bitte mal einer? Das kann doch nicht stimmen.“

Heute war so ein Tag. Der Gemeinnützige (ja! so heißt der Lokalteil der NWZ für die Friesische Wehde tatsächlich) titelt „Keine Gnade für die Birken.“

Für meine Leser von außerhalb kurz zum Hintergrund: Fährt man aus Varel kommend nach Büppel hinein reihen sich entlang der Straße rechter Hand 15 ungewöhnlich prächtige Birken. Diese Bäume sind fast so alt wie ich, also gute 30 Jahre. Auf jeden Fall stehen sie dort schon so lange, dass sich nur wenige Büppeler daran erinnern können, wie die Straße dort begrünt war, bevor die Birken gepflanzt wurden.

Bereits Anfang 2007 war von 18 Haushalten aus der Umgebung der Birken gegenüber der Verwaltung das Begehren geäußert worden, die Bäume zu entfernen. Begründung: Birken machen Dreck (Blätter, Blüten, Samen), belasten Allergiker (Pollen) und beschädigen den Radweg. Zudem seien die Bäume so groß, dass sie eine Gefahr für die anliegenden Häuser darstellten.

Das Begehren war seitens des zuständigen Ausschusses zunächst abgelehnt worden. Über ein Jahr später gab es dann aber doch eine von SPD-Fraktion und einem Grünen Ratsherrn getragene Mehrheit für die Abholzung. Um dem Beschluss das Konfliktpotential zu nehmen, wurde zudem festgelegt, dass die Abholzung über mehrere Jahre gestreckt wird.

Dennoch regte sich in Büppel erstaunlicher Widerstand: Durch einfaches Auslegen einer Unterschriftenliste beim Büppeler Bäcker wurden innerhalb kürzester Zeit über 600 Unterschriften gesammelt. Bei einer Wohnbevölkerung von ca. 2.200 Personen ein erstaunliches Ergebnis. Die Unterschriftenlisten wurden dem Bürgermeister übergeben, der sie – so hört man – sehr wohlwollend entgegen genommen hat.

Unter den Büppelern machte sich danach das Gefühl breit, jetzt sei ja alles klar. Nach einem so eindeutigen Bürgervotum würde der Rat seinen Beschluss kaum aufrecht erhalten.

Doch leider wurde die Rechnung ohne die SPD-Fraktion gemacht. Die hat nämlich am Montag – und damit sind wir wieder beim Ausgangspunkt – mit ihrer Ausschussmehrheit den Beschluss zur Beseitigung bestätigt.

Ich will der SPD-Fraktion nicht unterstellen, sie habe sich die Entscheidung leicht gemacht. Dennoch glaube ich, dass die Entscheidung falsch ist. Aus fachlichen Gründen aber auch – und das wiegt schwerer – aus politischen Gründen.

Ich denke, es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass wir die Frage nach dem Erhalt von Baumbestand nicht an den Interessen einzelner Anlieger ausrichten können. Straßenbäume erfüllen wichtige Funktionen. Laubfall, unerwünschter Schattenwurf und andere Nebenerscheinungen sind also hinzunehmen. Ginge es nicht um Birken, sondern Bergahorn, wäre es kaum zu dieser Entwicklung gekommen.

Weg sollen also Birken, nicht Bäume. Die Birke hat zugegeben zwei objektiv nachvollziehbare Nachteile: Sie hat sehr aufdringliche Samen und sie belastet Allergiker in besonderer Weise. Doch auch andere Bäume haben Nachteile. Pappelsamen sind auch keine Freude, Ahornsamen keimen oft wie gesät, Linden honigen stark, das Laub von Eichen verrottet  nur schwer.

Und den Allergikern sei gesagt, dass eine Beseitigung der Birken an dieser Stelle kaum Wirkung zeigen dürfte. Die Birke ist nach meinem Eindruck neben der Eiche der häufigste Laubbaum in Büppel zu sein. Den Birkenpollenflug merklich einzuschränken würde nur gelingen, wenn man halb Büppel entlaubte.

Dass Samen und Pollen als Argument gegen Birken alleine nicht ausreichen, scheint auch den Befürwortern der Beseitigung klar zu sein. Deshalb werden weitere Argumente in Feld geführt, die jedoch allesamt fehl gehen:

So befürchten Anwohner, die Birken könnten bei Sturm auf Ihre Häuser fallen. Das ist jedoch kaum wahrscheinlich. Zum einen sind die Bäume gesund und standfest, außerdem neigen sie sich mit der Hauptwindrichtung gen Straße. Und schließlich spräche dieses Argument für die Beseitigung nahezu jeden größeren Straßenbaumes in der Stadt.

Angeblich beschädigen Birken auch den unter ihnen verlaufenden Radweg und die Straße. Eine Ortsbesichtigung zeigt jedoch das Gegenteil. Der Radweg entlang der Bürgermeister-Osterloh-Straße ist insgesamt eher eine Zumutung. Doch ausgerechnet im Bereich der Birken ist er in einem vergleichsweise guten Zustand.

Schließlich wird der geringe Wert der Birke ins Feld geführt und die geringe Lebenserwartung ins Feld geführt. Dieses Argument ist hanebüchen. Der forstwirtschaftliche Wert spielt für die Beurteilung eines Straßenbaumes eine untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es vorwiegend um ästhetische Fragen.

Und damit sind wir bei dem entscheidenden Missverständnis. Während die SPD im Rat glaubt es ginge um Bäume, scheinen die Büppeler vor allem an einem gewachsenen Ortsbild zu hängen. Für die meisten, die hier wohnen, bilden die Birken gewissermaßen den Ortseingang. Wenn man nach der Arbeit oder vom Einkauf aus der Stadt nach Büppel fährt, zeige die Bäume an, dass man jetzt wieder zu Hause ist. Da bedeutet, dass selbst dann, wenn in 10 oder 20 Jahren erste Bäume aus Altergründen fallen müssen, dort wieder Birken zu pflanzen wären. Und nicht etwa Bergahorn.

Abschließend noch kurz zur politischen Einschätzung. In Büppel konnten ohne große Mühe über 600 Unterschriften für den Erhalt der Birken gesammelt werden. Damit wäre bezogen auf die Büppeler Wohnbevölkerung das Quorum für ein Bürgerbegehren mehrfach erfüllt. Selbst wenn nur die Hälfte der Unterschriften gültig sind, wäre dies immer noch der Fall.

Sich über ein solch klares Votum hinwegzusetzen braucht, wie ich finde, gewichtigere Argumente als ein wenig Birkensamen auf dem Teppich. Ich würde mir wünschen, dass die SPD-Fraktion über diese Frage bis zur Sitzung des Verwaltungsausschusses noch einmal gründlich nachdenkt.