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Olaf Lies, MdL brachte es am Ende des gestrigen Abends auf den Punkt. Der Bahnlärm wird zunehmen. Das ist die unmittelbare und – aus Lies und vieler anderer Sicht – letztlich erfreuliche Folge eines erfolgreichen JadeWeserPorts. Worüber noch zu reden ist, sind die möglichen Maßnahmen, um den anschwellenden Bahnverkehr so emissionsarm wie möglich abzuwickeln.

Für alle, die diesen Rahmen akzeptieren, war die Informationsveranstaltung der BI Lärmschutz Varel ein äußert positives Signal. Die bislang als wenig kooperativ und reichlich verschnarcht aufgefallene Deutsche Bahn AG zeigte sich gestern von einer überraschenden Seite: Höchst kompetent, bestens vorbereitet und mit verständlichem Vortrag wurde das Vorhaben zum Streckenausbau zwischen Oldenburg und Wilhelmshaven erläutert.

Positiv ist zunächst zu werten, dass die Bahn sich entschlossen hat, den Abschnitt von Rastede bis nördlich Varel in zwei großen Abschnitten planfestzustellen. Im Zusammenspiel von gesetzlichen und politischen Vorgaben bedeutet dies nämlich, dass bis Ende 2012 diese Strecke vollständig zweigleisig sein muss und außerdem der gesamte aktive Lärmschutz – im wesentlichen Lärmschutzwände – aufzustellen ist. Das erfordert jetzt ein irrwitziges Plannungstempo und für den gesamten Bau stehen in 2011/12 gerade einmal 9 Monate zur Verfügung.

Die Bahn, die ich kenne, kann das nicht schaffen. Wenn der bei DB Projektbau zuständige Projektleiter Frank Heuermann allerdings so konzentriert plant und baut, wie er gestern vorgetragen hat, besteht durchaus eine Chance.

Der zweite positive Eindruck gestern war, dass man zumindest seitens DB Projektbau nicht knauserig sein wird, wenn es um Höhe und Länge aufzustellender Lärmschutzwände geht. Originalton: „Ich baue ihnen auch eine fünf Meter hohe Wand, wenn das gewünscht ist.“ Hintergrund dieser Großzügigkeit ist wohl, dass die Kosten höherer Wände sich von denen passiver Maßnahmen an Fenstern und Dachflächen betroffener Gebäude nicht so sehr unterscheiden. Teuer ist die Wand an sich, nicht so sehr ihre Höhe.

Die Planer der Bahn wurden jedoch auch nicht müde, die Zweckmäßigkeit überhoher Lärmschutzwände in Frage zu stellen. Während nämlich die ersten zwei Meter Wand den Lärm nahezu halbieren, ist die Wirkung des fünften Meters für das menschliche Ohr kaum noch wahrzunehmen. Mit passiven Maßnahmen ließe sich deutlich mehr erreichen. Gleichzeitig nimmt die optische Beeinträchtigung mit der Höhe massiv zu.

Aber auch passive Maßnahmen haben natürlich einen Haken. Sie wirken nur, so lange ich mich in einem Gebäude befinde. Wer im Garten seine Ruhe will, dem ist damit nicht geholfen.

Die Anwohner der Strecke stehen daher vor schwierigen Abwägungen. Was ist wichtiger? Fernsicht, ruhiger Schlaf in der Nacht oder ein einigermaßen lärmfreier Nachmittag im Garten. Jetzt heißt es also: Vier, drei, zwei, … Lärmschutz! Ich bin froh, dass ich mir diese Gedanken nicht zu machen brauche.

Und eines darf man – damit sind wir wieder bei Olaf Lies – nicht vergessen. Für welche Maßnahme man sich auch entscheidet. Der Lärm wird trotzdem zunehmen. Allein schon wegen der Frequenz der Züge. Heute fahren zwei Kohleganzzüge am Tag. Jeder einzelne reicht, um die unmittelbaren Anwohner aus dem tiefsten Schlaf zu holen und in Windrichtung noch in mehreren Kilometern Abstand für Unruhe zu sorgen.

Für 2025 rechnet man derzeit mit bis zu 130 Zügen, die dann auch tief nachts rollen müssen. Diese werden trotzt bestmöglichem Schutz, empfindlichen Menschen jede Nachtruhe und den Nachmittag im Garten verleiden.

Ich hatte schon früher einmal folgende These aufgestellt: Der JadeWeserPort wäre möglicherweise nie in Angriff genommen worden, wenn die Bürger in ein ehrliches Gesamt-Planungsverfahren inklusive Auswirkungen auf Bahn, Autobahn und städtische Durchgangsverkehre einbezogen worden wären.

Ich persönlich – das ist bekannt – halte die Entscheidung, in Wilhelmshaven nun noch einen verzweifelten Versuch zu unternehmen, die Region in eine prosperierende Industrieregion umzubauen, für einen Fehler. Ich glaube nach wie vor, die Zukunft am Jadebusen kann nur im Tourismus sein Grundlage finden. Sollte ich mich irren und der Hafen das Gesetz der Serie brechen, würde mich das für die Region freuen. Sollte er jedoch auch scheitern, kommt hoffentlich endlich die Wende und wir besinnen auf den einzigen Schatz, den wir haben. Eine einmalige Landschaft, die es übrigens – das nur nebenbei – vor dem Sargnagel A22 zu retten gilt.

Nachtrag: Die NWZ berichtet inzwischen ausführlich.