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Mit der Marke Xing konnte ich von Anfang an nicht recht warm werden. Als die Netzwerk-Plattform noch openBC hieß, war das anders. Das Tool war neu, cool und ein bisschen exklusiv. Alles Zuschreibungen also, die sich auf dem Weg in den Mainstream abnutzen mussten.

Seither ist es Xing nicht gelungen, sich mit neuen positiven Werten in meinem Markengedächtnis festzusetzen. Zwischenzeitlich war Xing zwar unverzichtbar, aber  auch das verblasst angesichts von Facebook und LinkedIn zunehmend. Geblieben ist neben mehreren Negativposten inzwischen allenfalls noch seriös.

Doch ganz offenbar will man auch daran noch Raubbau betreiben: Seit gestern kursiert bei Twitter die Nachricht, es gebe nun auch bei Xing eine Möglichkeit, seine dortige Statusmeldung mit Twitter zu synchronisieren. Das von einigen Nutzer längst eingeforderte Feature war kurz zuvor vom großen Bruder aus Amerika LinkedIn ganz offiziell und erfolgreich eingeführt worden.

Bei Xing jedoch ist das Feature keineswegs offiziell. Die zugehörige Seite sieht aus, wie eine Fingerübung eines Hackerlehrlings und im About finden sich Sätze wie

„This software is in an experimental state, there’s absolutely no warranty and no guarantee for the availability of the site.“

oder gar

„Xwitter is based on XWS, the unfortunately unofficial XING API.“
(Hervorhebung von mir.)

Hinter der Seite steht jedoch keineswegs ein Hacker, sondern – laut eher unzureichendem Impressum – der Vice President Engineering Rails Andreas Gehret. Ein Umstand, den man zunächst kaum glauben mag, der sich allerdings nach einem Blick in dessen Twitter-Stream einigermaßen sicher verifizieren lässt.

Im Twitter-Stream finden sich dann allerdings auch Hinweise, dass das Tool vielleicht ein paar Dinge anstellt, die eher unerfreulich sind.

Twitter _ Andreas Gehret_ Das von @MartinAssmann gem ...

Darüberhinaus ist die Neuentwicklung offenbar schon nach Stunden vom Interesse der Xing-User überfordert. Der Herr Vice President stellt sogar in Aussicht,

„If I can’t [come up with a clever solution], Xwitter will only be available to a limited number of my friends.“

Kann mir bitte mal jemand erklären, wieso ein für Entwicklung zuständiger Vice President eines Unternehmens, das persönliche Daten von ein paar Millionen zahlenden Kunden verwaltet, in aller Öffentlichkeit an einer inoffiziellen API seines eigenen Unternehmens herumfrickelt, in Kauf nimmt, dass sich sein „private fun project“ wie ein Lauffeuer via Twitter verbreitet und schon nach wenigen Stunden die erwartungsfrohe Kundschaft per „ihr seid meine Freunde nicht“ ausschließt.

Ich gehöre nun wahrlich zu denen, die viel von selbständigen, experimentierfreudigen und ungeschützt sprechenden Mitarbeitern halten. Aber so geht das nun auch wieder nicht. Schon gar nicht seitens einer Führungskraft.

Eine meiner negativen Zuschreibungen für die Marke Xing ist übrigens Arroganz. Und diese hat ebenfalls am Wochenende neue Nahrung bekommen. Weil meine hinterlegte Kreditkarte abgelaufen war und man sich deshalb bei Xing um den nächsten Jahresbeitrag sorgen machte, erhielt ich folgende Mail:

„Ihre Premium-Mitgliedschaft bei XING wird am 27.11.2009 automatisch verlängert. Ihre Zahldaten sind leider ungültig (evtl. wird die Kreditkarte, die Sie bei der Buchung angegeben haben, zu diesem Zeitpunkt abgelaufen sein).
Bitte aktualisieren Sie rechtzeitig Ihre Zahldaten oder wählen Sie eine andere Zahlungsmethode, damit Ihnen keine zusätzlichen Kosten entstehen.“
(Auszug, Hervorhebung von mir.)

Vielen Dank für die freundliche Erinnerung, dass ich meinen Premium-Account eigentlich nur aus Bequemlichkeit noch nicht gekündigt hatte.

Nachtrag (14.12.09): Xing war das freie Experiment dann doch wohl nicht so geheuer und hat nun ein offizielles Labor eingerichtet, in dem die Anwendung weiter wachsen und gedeihen soll.